Immer Beschwerden wie Kopfschmerzen, Jucken in der Nase oder tränende Augen am Arbeitsplatz – und zwar nur da? Es gibt tatsächlich Orte, die krank machen. Zimmer oder gar ganze Gebäude.

Den regelmäßig beobachtbaren und Symptomen und Beschwerden an solchen Orten wurden in den letzten Jahrzehnten Namen gegeben: Sick-Building-Syndrom (SBS) (englische Variante: Sick Building Syndrome) und Building Related Illness (BRI). Die Betroffenen haben dabei den Eindruck, dass die jeweiligen Arbeitsräume sie regelrecht krank machen. Der Gang zur Arbeit wird zum Problem.

Denn die Krankheitssymptome treten meist nach langen Aufenthalten in den betroffenen Gebäuden auf. Zudem lindern sie sich nach dem Verlassen des Gebäudes zügig. Doch was versteht man unter SBS genau, was für Erklärungsansätze existieren und welche weiteren Faktoren können derartige Situationen mitbedingen? Diesen Fragen geht der folgende Artikel nach.

Building Related Illness (BRI) und dem Sick Buildung Syndrome (SBS)

Gebäude, in denen Arbeit verrichtet wird, können dann krank machen, wenn Schadstoffe, Allergene, Viren oder Keime die Räume belasten. Nachweisbare Belastung bedeutet in diesem Kontext, dass die jeweiligen Konzentrationen deutlich erhöht sind und somit über den bekannten Normalwerten liegen.

Dazu tritt ein Interaktionseffekt, denn nicht jeder Mensch ist gleich betroffenen. Empfindliche Individuen reagieren auf ungünstigen Umgebungsfaktoren oftmals mit allergieähnlichen Symptomen. Sie verhalten sich sensibler, sind aber auf keinen Fall Hypochonder, um diesem voreiligen Urteil rechtzeitig zu begegnen.

Zwischen den genannten Konzepten bzw. Begriffen existieren wichtige Unterschiede und Differenzierungen: Während Building Related Illness Krankheitssymptome durch explizit nachweisbare schädliche Substanz benennt, thematisiert das Sick Building Sydrome hingegen das Leiden der Betroffenen bei vergleichsweise ungenauen Bedingungen. Präziser formuliert: Schadstoffe werden zwar gemessen, aber ihre Konzentration liegt innerhalb tolerierbarer Parameter.

Die Folgen für die Betroffenen sind allerdings gleichsam real, sie leiden unter vielfältigen gesundheitlichen Einschränkungen. Das Spektrum der beobachtbaren Erkrankungen fällt dabei so weit aus, dass oftmals von „undifferenzierten Symptomen“ gesprochen wird.

Was bedeutet der Ansatz krankmachender Gebäude genau?

Je mehr die betroffenen Menschen über die möglichen Ursachen ihrer Probleme wissen, desto mehr können sie gegenwirken. Dazu zählt ebenfalls, die Krankheit oder die vorliegende Situation möglichst genau beschreiben zu können.

Das Sick-Building-Syndrom definiert daher die Beschwerden einer Gruppe von Individuen, welche nach längeren Aufenthalten in Büroräumen, Arbeitsstätten oder größeren Gebäudekomplexen auftreten – und zwar regelmäßig.

Man spricht erst dann vom Sick Building Syndrome, wenn die Anzahl bzw. die Größe der Gruppe der beeinträchtigten Menschen vor Ort eine gewisse Größe erreicht: Ein SBS-Verdacht liegt vor, wenn mindestens 15 bis 20 Prozent der Beschäftigten in einem speziellen Gebäude über ähnliche gesundheitliche Beschwerden klagen.

Innenraumassoziierte Beschwerden im Überblick

Dabei sind eine Vielzahl innenraumassoziierter Beschwerden bekannt. Folgende Symptomatiken treten dabei häufiger auf, sie werden daher mit dem Sick-Building-Syndrom verbunden:

  • Hals kratzt
  • Gereizte Rachenschleimhaut
  • Verstopfte Nase
  • Juckende und Müde Augen
  • Tränende Augen
  • Konzentrationsschwäche
  • Hautirritationen
  • Husten
  • Schwindel
  • Kopfschmerzen
  • Allgemein allergieähnliche Zustände

Nun könnten die gelisteten Punkte auch für eine Epidemie durch Ansteckung sprechen. Sie fallen wenig spezifisch aus, weil sie ebenfalls in der Normalbevölkerung regelmäßig beobachtbar sind.

Grafik: Fieber und Tabletten

Wenn das Büro bzw. das Bürogebäude krank macht: Viele Symptome gleichen denen eines viralen Infektes oder eine Grippe. Typische Stressfolgen wie Kopfschmerzen treten ebenfalls in den betroffenen Orten auf.

Zur verlässlichen Diagnose des Sick-Building-Syndroms muss noch eine weitere Bedingung erfüllt sein: Die gesundheitlichen Beschwerden müssen außerhalb des Gebäudes abklingen und nach längerem Nichtbetreten komplett verschwinden, um dann mit dem erneuten Aufenthalt im „krankmachenden Gebäude“ wieder aufzutauchen.

Die oben gelisteten Symptomkomplexe fassen diverse Autoren und Experten übrigens zu einer Vielzahl von Krankheitsbeschreibungen zusammen: Synonym oder überwiegend deckungsgleich zum SBS fallen in Aufsätzen und Fachtexten oftmals Begriffe wie Öko-Syndrom oder Multiple Chemikalien-Sensivität (MCS-Syndrom).

Auch hier existieren allerdings feine Differenzierungen.

Das Öko-Syndrom und das Multiple Chemikalien-Sensivität (MCS-Syndrom)

  • Laut Weißbuch Allergie umfasst die Definition des Öko-Syndroms Krankheitsbilder, welche mit unterschiedlichen und subjektiv geschilderten Beschwerden einhergehen. Kennzeichnend ist zudem der Standpunkt der Betroffenen: Ihre Theorie der Ursache beinhaltet die feste Überzeugung, durch Umweltschadstoffe erkrankt zu sein.
  • Die Multiple Chemikalien-Sensivität (MCS-Syndrom) bildet vor allem Beschwerden ab, die mit chemischen Stoffen in Verbindung gebracht werden. Hier liegen demnach messbare Reize einer von den Betroffenen betonten Stoffkategorie vor. Allerdings in derart geringen Konzentrationen, dass die Belastungen für die Mehrzahl der Menschen eigentlich nicht schädlich ausfallen. Daher scheitern herkömmlichen Nachweismethoden meist mit ihren Kausalitätsketten.
  • Beide Begriffe betonen somit künstlich erzeugte Schadstoffe. Sie thematisieren weniger natürliche Auslöser wie Allergene, zum Beispiel aggressive Birkenpollen.

Wie viele Menschen sind in Deutschland vom Sick Building Syndrome betroffen?

Da noch keine absoluten Zahlen vorliegen, wird in der aktuellen Diskussion auf Schätzungen zurückgegriffen.

Demzufolge leiden in Deutschland rund 400.000 Menschen an Überempfindlichkeiten gegenüber Chemikalien oder belastenden Reizen in Gebäuden. Das meldet der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB).

Sick Building-Syndrom Ursachenforschung

Trockene Augen, Dauerschnupfen oder Kopfschmerzen sind in vielen Büros ein gängiges Phänomen: Fast ein Drittel der Büroangestellten klagt über diverse Symptome des Sick-Building-Syndroms. In der aktuellen Diskussion der Ursachen spielen folgende Risikofaktoren eine entscheidende Rolle:

Abbildung: Heizung

Klimaanlagen und Heizungen werden immer wieder als Ursache des Sick Building Syndroms thematisiert. Doch endgültige Ergebnisse stehen noch aus, das Phänomen ist schwer zu fassen, besitzt einen komplexen Charakter

Mögliche Ursachen des Sick-Building-Syndroms

  • Klimaanlagen & Heizungen als Auslöser, sie sollen der Luft einen unnatürlichen, schadstoffbelasteten und zu trockenen Charakter verleihen.
  • Mangelnder Luftaustausch durch modernes Bauen: Die Innenräume sind bei Bauten neuerem Datums so gut abgedichtet, dass der Luftwechsel leidet. Somit reichern sich mehr Staub, Feinstaub und flüchtige Verbindungen in den Zimmern an. Lacke, Tapeten, Teppichböden, aber auch Drucker sowie Kopierer sondern reizende Stoffe beziehungsweise Gase ab. Diesen „Ausdünstungen“ wird eine belastende Wirkung zugeschrieben.
  • Baumaterialien: Bei Neubauten werden vorwiegend chemisch präparierte Bau- und Einrichtungsmaterialien genutzt.
  • Biologische Risiken: Neben chemischen Prozessen spielen biologische Belastungsquellen eine Rolle: Schimmel oder Staub können die geschilderten Symptome auslösen, sodass bei der Ursachensuche zudem auf feuchte Wände oder Wasserschäden geachtet werden sollte.

Krankmachende Gebäude – plausible Ursachen, fehlende Kasusalität

Das Problem: Forscher und Mediziner konnten bisher keine Kausalität zwischen den Schadstoffen und dem Phänomen SBS feststellen – der Nachweis fehlt. Zusammenfassend formuliert ist es noch nicht gelungen, spezifische Auslöser für die Problematik innenraumassoziierter Beschwerden zu identifizieren.

Somit wohnt den diskutierten Risikofaktoren bis dato nur eine nachvollziehbare Plausibilität inne. Vorerst besitzen diese Aussagen den Status von wissenschaftlichen Hypothesen, deren konkreter Beleg noch aussteht.

Beispielsweise ergaben Messungen zu Klimaanlagen, dass die Luft in klimatisierten Räumen nach objektiven Kriterien meistens recht gut ausfällt: Sie enthält weniger Schadstoffe, fällt weniger trocken aus als vermutet und ist auch nicht sonderlich stickig. Nur wenn Wartung und Regelung der Anlage nicht sorgfältig durchgeführt werden, können die Modelle tatsächlich Keime in die Luft blasen.

Dennoch klagen vergleichsweise viele Angestellte über zu trockene und schlechte Luft, wenn sie aus einem natürlich gelüfteten Büro in neuen Arbeitsraum mit Klimaanlage umziehen. An dieser Stelle wird deutlich, dass enormer Forschungsbedarf besteht. Neben genauen Messungen sollten zudem subjektive Faktoren der Mitarbeiter erfasst werden.

Video: neue Erkenntnisse

Hypothesen: alternative Ansätze zu krankmachenden Gebäuden

Der Forschungsprozess zu krankmachenden Gebäuden ist im vollen Gange. Ein schwieriges Unterfangen, weil die beschriebenen Symptome, wie oben erwähnt, auch in der restlichen Bevölkerung vorkommen. In einigen Fällen lassen sie sich Arbeitsplatzerkrankungen auf alternative Gründe zurückführen.

Vermutlich spielen bisher wenig reflektierte Einflussfaktoren in das Phänomen Sick Building hinein. Einige von ihnen werden nun abschließend kurz dargestellt. Diese Aussagen stellen Hypothesen und Vermutungen dar. Sie weisen einen heuristischen Wert auf und schließen die oben umrissenen Ursachen keinesfalls aus.

Vielmehr ist von einem komplexen Wirkungsgefüge auszugehen, in welchen sich diverse Einflussfaktoren überlagern oder gar wechselseitig verstärken.

  • Soziale Prozesse: Die gestiegene Sensibilität gegenüber ungünstigen Arbeitsbedingungen führt dazu, dass mehr auf schlechte Bedingungen vor Ort geachtet wird. Verstärkt sprechen engagierte Mitarbeiter über die Qualität der Arbeitsbedingungen, sodass die Chance, dass ein krankmachendes Gebäude identifiziert wird, deutlich angestiegen ist. In diesem Kontext ist es wichtig anzumerken, dass andere Mitarbeiter durch diese Kommunikation möglicherweise unbewusst nachziehen. Ein bekanntes Phänomen: Die Thematisierung eines gesundheitlichen Risikos erhöht dessen Beobachtungschance. /li>
  • Die Arbeit als Ursache: Möglicherweise liegt das Problem in der Arbeit selbst begründet. Dies würde erklären, warum die Krankheitsbilder immer nur vor Ort und im Job auftreten: Eine zu hohe Arbeitsdichte, ein schlechtes Kommunikationsklima (Beispiel: Mobbing), inhaltliche Überforderungen und ausufernde Arbeitszeiten stressen die Menschen. Viele daraus resultierende Probleme decken sich mit dem SBS. In diesem Fall würde eine Fehlattribution auf das Gebäude stattfinden.
  • Ungünstiger Arbeitsplatz: Denkbar ist ebenfalls, dass die Inhalte der Arbeit durchaus schaffbar sind, der Arbeitsplatz selbst aber so mangelhaft eingerichtet ist, dass er den Menschen schadet. Wie im Artikel über die ergonomische Optimierung des Bildschirmarbeitsplatzes skizziert, rufen mangelhafte Ausstattung und die Unmöglichkeit der individuellen Anpassung müde Augen, Kopfschmerzen, Abgespanntheit, Rückenschmerzen und Ähnliches hervor. Problemfelder, die sich mit den Folgen eines krankmachenden Gebäudes überschneiden. Die Arbeitsplatzqualität sollte somit bei der Erforschung des Sick Building Syndrome ebenfalls beachtet werden.
  • Trockene Heizungsluft belastet im Arbeitsstress mehr als normal: Wenn im kalten Winter viel geheizt wird, dann wird die Raumluft an vielen Orten schnell trocken und gefühlt unangenehm stickig. Da man viel Zeit auf der Arbeit verbringt, spüren die Mitarbeiter die trockene Luft an diesem – bisweilen sehr anstrengenden – Ort besonders. Sie haben durch die jeweiligen Arbeitsanforderungen zudem weniger Möglichkeiten, darauf flexibel (beispielsweise Fenster aufreißen) zu reagieren. Zu trockener Luft kann allerdings gut mit Pflanzen oder einem professionellen Luftbefeuchter begegnet werden.

Sick Building Syndrome fordert weitere seriöse Forschung ein

Bereist der Umfang geschilderter Belastungen, die nur am Arbeitsort beobachtbar sind, verdeutlichen die Relevanz des Themas SBS. Noch sind Forschungslage und Erklärungsmuster vergleichsweise vielfältig, sie bieten erste Ansätze und Erklärungen, aber auch viele offene, teilweise definitorische Fragen. Im Sinne die zahlreichen betroffenen Menschen ist weitere Forschung gefordert.